Kunst, Geschichte und städtischer Raum
Im Rahmen der Ausstellung "Erratico" 2019 in Pietrasanta, die sowohl im Kreuzgang als auch in der Kirche San'Agostino zu sehen ist, hat Umberto Cavenago kühne und provokante Interventionen auf dem Platz vor den beiden bereits bestehenden Denkmälern geschaffen: dem Denkmal für Leopold II. und der Marzocco-Säule. Für das Leopold II. gewidmete Denkmal schuf Cavenago vier große Stahlräder, die er am Sockel des mit Inschriften und Flachreliefs geschmückten Sockels montierte. Für die Marzocco-Säule waren die Räder kleiner, aber immer noch am Sockel der Struktur angebracht. Auf den Stufen, die jedes Monument über das Niveau des Platzes erheben, hat er zwei hölzerne Rampen installiert, die eine bevorstehende Verschiebung der an sich feierlichen und unveränderlichen Skulpturen suggerieren. Diese destabilisierenden Gesten verwandeln statische Denkmäler in dynamische Werke und laden uns ein, unsere Beziehung zur historischen Erinnerung zu überdenken.
Die Interventionen riefen heftige Reaktionen in der Öffentlichkeit von Pietrasanta hervor, die an eine traditionelle Vorstellung von Skulptur als unbewegliches Werk auf einem Sockel gewöhnt ist. Die lokale Presse bezeichnete Cavenagos Werke als eine Schande für die Kunst der Vergangenheit und die Tradition des Ortes. In dieser Kritik spiegeln sich ein tief verwurzelter Widerstand gegen Veränderungen und eine Verteidigung der etablierten künstlerischen Konventionen wider.
Cavenago war sich der Reaktionen bewusst, die seine Interventionen hervorrufen würden, und entwarf die Werke mit einer klaren Absicht: Er wollte Gewissheiten und Überzeugungen über die Rolle der öffentlichen Kunst ins Wanken bringen. Trotz der technischen Vorkehrungen, die getroffen wurden, um eine Beschädigung historischer Denkmäler zu vermeiden, war die vorherrschende Wahrnehmung die eines Aktes der Respektlosigkeit. Ziel des Künstlers war es, eine kritische Reflexion über die Bedeutung und Funktion von Kunst im öffentlichen Raum anzuregen und die Öffentlichkeit aufzufordern, die Interaktion zwischen Kunst, Geschichte und städtischem Raum neu zu überdenken.
In Pietrasanta, der Heimat des Marmordenkmals und der traditionellen Skulptur, setzen sich auch zeitgenössische Künstler mit denselben stilistischen Merkmalen auseinander. In diesem Kontext erhalten Cavenagos Interventionen eine noch provokantere Bedeutung. Sie brechen nicht nur mit der lokalen Tradition, sondern laden zu einer neuen Vision der öffentlichen Kunst ein, indem sie einen kritischen Dialog über den Wert und die Entwicklung der Kunst in der heutigen Gesellschaft vorschlagen. Cavenagos entweihende und unbequeme Werke widersetzen sich traditionellen Kategorisierungen, stellen Erwartungen in Frage und eröffnen neue Interpretationsmöglichkeiten.
Social
Contatti
umberto@cavenago.info